Bedeutungserläuterungen der Kandidatenwörter und Kandidaten-Sprüche des Jahres 2016 | |
Kandidatenwörter für das Wort 2016 | |
arschknapp | Es wird „arschknapp“! Ausspruch eines der beiden Bewerber für das Amt des Bundespräsidenten vor dem 1. Durchgang der Bundespräsidentenwahl. Gemeint ist damit, dass das Ergebnis mit sehr wenigen Stimmen Unterschied ausfallen wird, was auch der Fall war. |
Bundesheinzi | Liebevolle, ironische Bezeichnung für den Altbundespräsidenten Heinz Fischer, der sein Amt 8 Jahre lang innegehabt und zur Zufriedenheit großer Teile der österreichischen Bevölkerung ausgeübt hat. |
Bundespräsidentenstichwahlverschiebung | Das Wort spricht für sich: Die Stichwahl der heurigen Bundespräsidentenwahl wurde nicht nur von einer der wahlwerbenden Parteien angefochten, sie musste auch noch zwei Mal verschoben werden, weil technische Schwierigkeiten mit den Briefwahlkuverts auftraten, die nicht sofort gelöst werden konnten. |
Deradikalisierung | Ein häufig gebrauchtes Wort, das sich besonders auf Re-Integration von Jugendlichen bezieht, die in salafistische bzw. radikal-islamistische Kreise abgedriftet sind. |
Hautvoletarier | Wortneuschöpfung das einen Proletarier bezeichnet, der zur Haut Volee (Oberschicht) gehört oder aufgrund seines Auftreten meint zu dieser zu gehören. |
K&K Regierung | Ironische Wortschöpfung, die sich auf die kurze Zusammenarbeit während des Weltklimagipfels zwischen Bundeskanzler Kern (SPÖ) und Außenminister Kurz (ÖVP) bezieht. |
Klebergate | Analog zu „Watergate“ dem großen Skandal über den US-Präsident Nixon sein Amt verlor, konnte die Bundespräsidentenstichwahl nicht durchgeführt werden, weil die Briefwahlkuverts nicht sicher verklebt und damit potentiell manipuliert werden konnten. |
Mindestsicherung | Diese soziale Maßnahme, die Menschen ohne gesichertes Einkommen gewährt wird, ist seit dem Zuzug von rund 80.000 Flüchtlingen ein ständiger Streitpunkt zwischen den politischen Parteien und ein Kernbegriff des politischen Lebens des heurigen Jahres. |
Schutzsuchende | Ein hochaktuelles Wort, selbst wenn die sog. „Flüchtlingswelle“ weitgehend verebbt ist, brauchen hundertausende Menschen im Nahen Osten nach wie vor Schutz, weil sie vor Krieg und Vernichtung flüchten müssen. |
Zusammenhalt | Ein durch und durch positives Wort, das in diesen unruhigen Zeiten, in denen viele Gewissheiten unsicher geworden sind, enorm an Bedeutung gewonnen hat. |
Kandidatenwörter für das Un-Wort 2016 | |
* Anmerkung: Die Jury drückt auch heuer ihr Bedauern dafür aus, dass ein Großteil der Kandidaten-Wörter für das Un-Wort 2016 wieder aus dem Bereich Flüchtlinge/Asylanten kommen und vielfach extrem negative Begriffe sind, die von rechtsextrem orientierten Gruppierungen propagiert werden. Wir leisten der Verbreitung dieser Wörter damit keinen Vorschub, sondern möchten explizit ihren manipulativen und vielfach herabwürdigenden Charakter aufzeigen und bewusst machen. | |
Asylobergrenze | Ein manipulativer und falscher Begriff, da laut Europäischer Menschrechtskonvention Menschen Zuflucht gewährt werden muss, wenn sie vor Krieg und Vernichtung fliehen müssen. Eine Obergrenze kann es in diesem Fall nicht geben. |
Brutpflegetrieb | Begriff, der in dem von Präsidentschaftskandidat Hofer 2013 herausgegebenen Buch „Für ein freies Österreich. Souveränität als Zukunftsmodell“ vorkommt. Darin schreibt Autor Michael Howanietz, FPÖ-Bezirksrat, zum Thema Familie: „Der vom Thron des Familienoberhaupts gestoßene Mann sehnt sich unverändert nach einer Partnerin, die, trotz hipper den-Mädels-gehört-die-Welt-Journale, in häuslichen Kategorien zu denken imstande ist, deren Brutpflegetrieb auferlegte Selbstverwirklichungsambitionen überragt.“ (Die Presse, 20.09.2016) |
Hassposting | Strafrechtlich relevantes Posting in den sog. sozialen Mendien (bes. Facebook), das zu Gewalt gegen Flüchtlinge, Minderheiten und sog. „Feinde“ aufruft und oft genug von anderen Postern geteilt wird. Ist derzeit häufig auf den Internetseiten rechter Parteien zu beobachten. |
Leitkultur | Kampfbegriff der politischen Rechten, die damit gegen „Überfremdung“, „Umvolkung“ und dgl. zu Felde zieht. |
Narrensaum | Verniedlichender Begriff für die extremistische Rechte, die sich vor allem durch Hasspostings bemerkbar macht. Von Norbert Hofer in den politischen Diskurs gebracht mit der Ausssage: „Es gibt einen echten Narrensaum. Es ist ein Stück Arbeit das zu betreuen.“ (18.10.2016, die Presse) |
Öxit | Bezeichnet den von manchen Parteien Österreichs ins Spiel gebrachten Austritt Österreichs aus der Europäischen Union, analog zum „Brexit“ Großbritanniens. |
postfaktisch | Verhüllender, scheinobjektiver Begriff, der vor allem in der Formulierung „postfaktische Politik“ verwendet wird und ausdrückt, dass jede Lüge in der praktischen Politik und im öffentlichen Leben erlaubt ist, da es genug Anhänger gibt, die das glauben werden. (Siehe z.B. die Aussagen Donald Trumps) |
Trolle | Verniedlichender Begriff für Medienakteure, die besonders in Foren und auf Internetseiten unwahre, manipulierende Postings und Meldungen verbreiten, als solche jedoch nicht unmittelbar erkennbar werden (wollen). |
Ungläubiger | Kampfbegriff der extremistischen Islamisten, der gegen alle gerichtet ist, die nicht ihre extreme Weltsicht teilen. Zuletzt auch von einem türkischen Minister gegenüber eine österreichischen Spitzenpolitiker verwendet. |
Willkommensklatscher | Wiederum ein Kampfbegriff all jener, die gegen die Aufnahme von Flüchtlingen sind und jene abwertend meint, die sich für Flüchtlinge einsetzen oder eingesetzt haben. |
Kandidatenwörter für das Jugendwort 2016 | |
alabern | Ironisch und Vorarlbergisch für „anreden“, „kontaktieren“. |
dab/dabben | Neuer Tanz, bei dem das Gesicht im Ellbogen vergraben wird. (http://www.giga.de/events/em-2016/specials/dabbing-tanz-bei-pogba-und-co.-was-ist-das-leicht-erklaert/) |
Darth vadern | Ist dann der Fall, wenn ein älterer Mensch (Vater/Mutter) den Versuch unternimmt, gegenüber einem jüngeren Menschen (Sohn/Tochter) eine erzieherische Maßnahme auszuüben, sprich dem Sprössling etwas anschafft. |
Gadse | #gadse auf Twitter: Alles über Katzen, aber seltsam ausgesprochen. |
ranzig | Überbegriff für alles, was schmutzig, ungepflegt, heruntergekommen ist. |
Tintling | Maximal beschreibender Begriff, der sich auf einen über und über tätowierten Menschen bezieht. |
voi | Neuerdings Ersatzwort für alles, was gut ist und vielfach „ja“ ersetzt. |
Was ist das für 1 Life! | In den sozialen Medien weit verbreiteter Audruck, der eher resignierend meint, dass das Leben nicht so ist, wie man es sich wünscht. (Siehe Stefan Fichtner: Was ist das für 1 life? Zur Beantwortung der Frage wie man sich nur so hart gönnen kann? Suhrkamp Verlag. |
Die Kandidaten für den Spruch des Jahres 2016 | |
1. Bundespräsidentenwahl 2016-2019: Ich war dabei! | Ironischer und treffender Spruch, der sich über die ständigen Verschiebungen der Stichwahl der Bundespräsidentenwahl lustig macht. |
2. Der Kleber kommt aus Deutschland! | Aussage eines Ministeriumsbeamten, wonach die Schuld für die kaputten Briefwahlkuverts beim Pickzeug lagen, das aus Deutschland kam! |
3. Ich finde für eine Stunde Arbeit eines Menschen einen Betrag von 2,50 Euro obszön. | Aussage von Thomas Drozda, Kanzleramtsminister in der gegenwärtigen Regierung über den Versuch der zweiten Koalitionspartei, den Stundenlohn für Flüchtlinge, die gemeinnützige Arbeit verrichten, auf € 2,50 zu senken. |
Die Kandidaten für den UN-Spruch des Jahres 2016 | |
1. Man muss die Ängste und Sorgen der Menschen ernst nehmen… | Verhüllende und seit langer Zeit gebetsmühlenartig wiederholte Aussage von Politikern, die damit ausdrücken wollen, dass sie gegen Ausländer und die Aufnahme von Flüchtlingen sind. |
2. Runter mit der Mindestsicherung! | Forderung rechter Parteien, die die Senkung der Mindestsicherung für Flüchtlinge von dzt. ca. 850 Euro auf ca. 550 Euro verlangen und damit Sozialleistungen je nach Pass und Herkunft einführen wollen. Eine Vorgangsweise, die bereits 1933-1945 gegenüber Minderheiten praktiziert wurde. |
3. Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist. (© Norbert Hofer) | Äußerung des Bundespräsidentenkandidaten Norbert Hofer, die er in Hinblick auf die Machtbefugnisse des östereichischen Bundespräsidenten getätigt hat und von vielen als Drohung aufgefasst wurde, die verfassungsmäßigen Befugnisse entgegen der bisherigen Praxis maximal auszudehnen. |
Dieses anschauliche Wort wurde von den WählerInnen mit überwältigender Mehrheit an die erste Stelle gesetzt. Mehr als ein Drittel der über 10.000 abgegebenen Stimmen entfielen darauf, was zeigt, dass die Vorgänge, die damit ausgedrückt werden, die Menschen dieses Landes äußerst stark berührt haben.
Das Wort ist sowohl inhaltlich als auch aufgrund seiner Länge ein Sinnbild und ironischer Kommentar für die politischen Ereignisse dieses Jahres, das vom überaus langen Wahlkampf für die Bundespräsidentenwahl, der Anfechtung der Stichwahl, deren Wiederholung und zusätzlich auch noch von der Verschiebung derselben gekennzeichnet ist. Sprachlich zeigt das Wort auch sehr gut eine Eigenart der deutschen Sprache, in der beliebig viele Substantive aneinandergereiht und so neue Wörter gebildet werden können, deren Länge praktisch unbegrenzt ist.
Graz, 09.12.2016 – Die Jury – © Rudolf Muhr 2016
Dieses Wort drückt in Hinblick auf die Vorgänge rund um die heurige Bundespräsidentenwahl eine gewisse Nostalgie aus, die sich auf den früheren Bundespräsidenten Heinz Fischer bezieht, der den Menschen zugewandt war und sein Amt nach Ansicht vieler ÖsterreicherInnen auf vorbildliche Weise ausgeübt hat. Der Ausdruck kann wohl als eine nachträgliche, liebevolle Anerkennung seiner Amtsführung aufgefasst werden.
Bildhafter Ausdruck, den einer der beiden Bundespräsidentschaftskandidaten vor längerer Zeit verwendet hat und der von ihm selbst wieder reaktiviert wurde, um auszudrücken, dass das Ergebnis der Stichwahl sehr knapp sein würde, was schließlich auch der Fall war. Der Ausdruck bedeutete ursprünglich, dass die Länge des Hemds nicht ausreicht, um das Gesäß völlig zu verdecken. Er wird heute nur mehr in übertragener Weise verwendet.
Graz, 09.12.2016 – Die Jury
Hierbei handelt sich es sich um eine unreflektierte Analogiebildung zu „Grexit und vor allem Brexit“, die in den Medien den früheren Ausdruck „Austritt aus der EU“ ersetzt hat. Zum Unwort wird es vor allem durch seine unreflektierte und häufige Verwendung, was vorhandene Tendenzen und Bestrebungen verstärkt und den Austritt aus der EU gewissermaßen herbeiredet, obwohl es seitens der Bevölkerung dazu keine Mehrheit gibt. Das Wort zeigt auch den Versuch, durch häufige Wiederholung plakativer Sprache Realitäten zu schaffen, um sie später in politisches Kapital umsetzen zu können.
Graz, 09.12.2016 – Die Jury – © Rudolf Muhr 2016
Asyl ist ein Menschenrecht, das sowohl in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), als auch in der Charta der Vereinten Nationen verankert ist. Die EMRK hat in Österreich Verfassungsrang. Es kann daher für Menschen die aus berechtigten Gründen um Asyl ansuchen und erhalten, keine Obergrenze geben, da die Menschenrechte uneingeschränkt gelten. Sie können nicht durch irgendwelche Quoten begrenzt werden. Anmerkung: Ungeachtet dessen könnte die Verteilung der Asylwerber innerhalb der Mitgliedsländer der EU hingegen sehr wohl durch faire Quoten geregelt werden.
Graz, 09.12.2016 – Die Jury
Hierbei handelt es sich um eine Formulierung, die die Vertreter der Willkommenskultur und ihr Engagement für Schutzsuchende herabwürdigt und lächerlich macht bzw. diese als naiv darstellt.
In den sozialen Medien weit verbreiteter Ausdruck, der (wie in der SMS-Sprache) oft auch auf „1“ verkürzt wird. Er geht auf den gleichnamigen Titel eines angeblichen Buches von Stephan Fichtner zurück, das als „Pseudo-Gewinnspiel“ große Verbreitung erzielte. Glaubt man Meldungen in den sozialen Medien, habe es eine Sprachspielerei des Rappers Moneyboy aufgegriffen. Von den Jugendlichen wird damit eine gewisse resignative Grundhaltung zum Leben ausgedrückt, das oft als mühsam, stressig und als wenig hoffnungsvoll empfunden wird.
Graz, 09.12.2016 – Die Jury – © Rudolf Muhr 2016
Allgegenwärtiges Verstärkungswort, das voi oft von österreichischen Jugendlichen verwendet wird. Es kann auch isoliert als Bejahung auf Fragen verwendet werden. Dessen ungeachtet wird es in manchen Regionen Österreichs (zum Beispiel in Oberösterreich) immer schon auf diese Weise gebraucht. Es hat neuerdings auch seinen Weg in die österreichische Jugendsprache gefunden.
Graz, 09.12.2016 – Die Jury – © Rudolf Muhr 2016
Spaßwort, das „Katze“ meint, aber stimmhaft (weich) ausgesprochen wird und dadurch, wie vieles, was mit Katzen zusammenhängt, einen liebevollen und ironisierenden Charakter bekommt. Es kommt – wie Katzen-Videos – häufig in den sozialen Medien vor, wie etwa auf der Facebook-Seite „Gadse von Hein“ u.a
Graz, 09.12.2016 – Die Jury – © Rudolf Muhr 2016
Ausspruch, der sich über die „unendliche“ Länge der heurigen Bundespräsidentenwahl lustig macht und inzwischen sogar seinen Weg auf T-Shirts gefunden hat.
Graz, 09.12.2016 – Die Jury
Der Ausspruch von Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer wurde von 7.157 WählerInnen als Un-Spruch qualifiziert, was zeigt, dass er bei den Menschen sehr starke negative Gefühle hervorgerufen hat. Die Formulierung (und ähnliche während des Wahlkampfes) wurde von vielen Menschen als unverhohlene Drohung empfunden, wonach die Rechte des Bundespräsidenten auf bisher völlig unübliche Weise ausgeweitet werden sollen, um eine ähnliche Machtfülle wie der französische bzw. amerikanische Präsident zu erreichen.
Graz, 09.12.2016 – Die Jury – © Rudolf Muhr 2016