Bedeutungserläuterungen der Kandidatenwörter und Kandidaten-Sprüche des Jahres 2015 |
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Kandidatenwörter für das Wort 2015 |
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Ampelpärchen |
Fußgängersignal einer Ampel. Es zeigt in der Rotphase das Sinnbild eines stehenden und in der Grünphase das Sinnbild eines gehenden Fußgängers. In Wien gibt es seit 11. Mai 2015 an einigen Stellen Ampelpärchen – mit Herz u.ä. – in allen drei möglichen Kombinationen der zwei Geschlechter Mann und Frau. (Wikipedia) |
Bundesignorierung |
Ironische Wortschöpfung für „Bundesregierung“, die den Mangel an Reformwillen aufs Korn nimmt. |
Durchgriffsrecht |
Rechtsbegriff, der kürzlich per Gesetz geschaffenen wurde und der österreichischen Bundesregierung das Recht gibt, Flüchtlingsunterkünfte in Bundesländern und Gemeinden gegen den Willen der dortigen politischen Vertreter (Landesregierung Gemeinderat) einzurichten. |
filzmaiern |
Ironische Wortschöpfung, die vom Namen des Politikwissenschaftlers Peter Filzmaier abgeleitet ist, der „exklusiver ORF-Analytiker für Analysen zu Wahlen“ und politischen Ereignissen ist (Kurier). |
Flüchtling |
Dieses Wort bedarf keiner weiteren Erläuterung. Es steht derzeit im Mittelpunkt der aktuellen politischen und humanitären Situation. |
Flüchtlingshelfer |
Jemand, der Flüchtlingen (meistens aus Mitgefühl und persönlicher Anteilnahme als Privatperson) mit Verpflegung und Erstversorgung hilft. |
Hopfensmoothie |
Lustige Wortschöpfung im Trend der Biowelle für „Bier“. |
Intelligenzflüchtling |
Ironisch für Menschen, die vor der Intelligenz flüchten und dies zeigen, indem sie z.B. gegen Menschen anderer Herkunft Hasspostings absondern. |
schönwettermüde |
Wortschöpfung, die angesichts des heurigen Hitzesommers ein weit verbreitetes Gefühl beschreibt. |
Willkommenskultur |
Einstellungen und Handlungen, die angesichts des Leids von Kriegsflüchtlingen dazu beitragen, dass sie wieder ein Leben in Sicherheit und Freiheit führen können. |
Kandidatenwörter für das Un-Wort 2015 |
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* Anmerkung: Die Jury drückt ihr Bedauern dafür aus, dass ein Großteil der Kandidaten-Wörter für das Un-Wort 2015 aus dem Bereich Flüchtlinge/Asylanten kommen und vielfach extrem negative Begriffe sind, die von rechtsextrem orientierten Gruppierungen propagiert werden. Wir leisten der Verbreitung dieser Wörter damit keinen Vorschub, sondern möchten explizit ihren manipulativen und vielfach herabwürdigenden Charakter aufzeigen und bewusst machen. | |
Asyl à la carte |
© Reinhold Mitterlehner am 21.09.2015: „Es gelte zu verhindern, dass Flüchtlinge in Europa „Asyl à la carte“ aussuchen könnten“ (diepresse). Eine solche Ausdrucksweise unterstellt, dass die Asylanten wie in einem Restaurant den Luxus der Wahl hätten, wo sie aufgenommen werden. |
besondere bauliche Maßnahmen |
© Mikl-Leitner: Dieser Euphemismus aus dem Munde der Innenministerin meint in Wirklichkeit einen kilometerlangen Zaun an der slowenischen Grenze, um Flüchtlinge abzuhalten. |
Flüchtlingstsunami |
Einer von vielen negativen Begriffen, der die Flüchtlinge in abträglicher Weise mit einer Naturkatastrophe gleichstellt, obwohl diese für den Krieg im Nahen Osten nicht verantwortlich sind. |
Hitzemanagement |
Unsinniges Schlagwort aus dem Sommer 2015 (© Gesundheitsministerium), wonach man die Hitze „managen“ könne, indem dem schwitzenden Volk empfohlen wurde, die Sonne zu meiden und viel zu trinken. |
Hotspot |
Von verschiedenen PolitikerInnen derzeit häufig verwendeter Anglizismus und Euphemismus mit der speziellen Bedeutung „Erstregistrierungszentrum für Flüchtlinge an den Außengrenzen der EU“. |
Invasionskollaborateur |
Herabwürdigender Begriff der Rechtsextremen für die freiwilligen Flüchtlingshelfer, denen unterstellt wird, dass sie Kollaborateure einer Invasion seien. |
Kostendämpfungspfad |
Euphemismus aus der Wirtschaft, der verhüllt, dass damit ein Plan für massive Einsparungen (oft einschließlich Entlassungen) gemeint ist. |
Lügenpresse |
Begriff, der den Printmedien vorwirft (besonders in Bezug auf die Flüchtlinge) Lügen zu verbreiten. Wurde bereits von den Nazis in den 1930er Jahren verwendet. |
Toleranzromantiker |
Begriff, der unterstellt, dass jene, die sich für Toleranz und Menschenrechte einsetzen, Romantiker seien. |
Wohlstandsflüchtling |
Kampfbegriff, der Asylbewerbern unterstellt keine politischen Motive für ihren Asylantrag zu haben, sondern Wohlstandsflüchtlinge oder Scheinasylanten zu sein. |
Kandidatenwörter für das Jugendwort 2015 | |
Bestie | Wortneuschöpfung mit der Bedeutung „bester Freund / beste Freundin“. |
Eskalation | „Das war voll die Eskalation!“ = Das war der Gipfelpunkt / war nicht zu übertreffen. |
Gönnung | Wortneuschöpfung, abgeleitet aus „gönnen“, die verwendet wird, um auszudrücken, dass man etwas gegessen/sich geleistet hat, was außergewöhnlich ist/war. |
Netflix and chill | Verhüllender Ausdruck für ein Treffen, bei dem es vordergründig um das Anschauen von Filmen über den Streamingdienst Netflix geht, in Wirklichkeit aber sexuelle Aktivitäten beabsichtigt sind/waren. |
on fleek | Jemand ist „on fleek“, wenn er/sie einfach perfekt ausschaut/gestylt ist. |
rumoxidieren | Ironische Fortsetzung von „chillen“, d.h. jmd., der rumoxidiert ist einfach absolut faul. |
Squad | Die Gruppe, der man sich zugehörig fühlt, mit der man unterwegs ist. |
Swagetarier | Person, die nur aus Imagegründen vegetarisch ist. |
Tinderella | Ironischer Ausdruck für eine Partnerin, die mann über die Kontakt-APP Tinder gefunden hat, die eher auf kurzfristige Kontakte abzielt. |
zach | Genuiner Austriazismus in der Grundbedeutung „langweilig, mühsam, schlecht“, Ist damit ein wichtiges Wort für jede Art Negatives. |
Die Kandidaten für den Spruch des Jahres 2015 |
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1. Frankreich wir kommen! |
Spruch der österreichischen Nationalmannschaft, die sich unter ihrem Trainer Marcel Koller auf außergewöhnlich erfolgreiche Weise für die Fußball-Europameisterschaft 2016 qualifiziert hat. |
2. Es sind Menschen, die da kommen, es sind Menschen, die da helfen! |
Motto der Facebookseite der Caritas Österreich. |
3. Vom Winde VWt! |
Ironischer Spruch, der sich auf die Krise des VW-Konzerns bezieht, die mit 300.000 Fahrzeugen auch auf Österreich Auswirkungen hat. |
Die Kandidaten für den UN-Spruch des Jahres 2015 |
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1. Frauen sind Menschen wie wir. |
Nicht weiter zu kommentierende Sicht eines alten Herren auf den anderen Teil der Menschheit. |
2. Ich bin ja kein Rassist aber… |
Häufig gehörte Redewendung, mit der jemand vorgibt, kein Rassist zu sein, im Anschluss daran aber in der Regel derartiges von sich gibt oder praktiziert. |
3. Wir haben den Krieg ja nicht angezettelt. (© Mitterlehner) |
Äußerung des Vizekanzlers, der in Zusammenhang mit den Verlusten bei den Landtagswahlen seine Schuldlosigkeit betont, denn man habe die Flüchtlinge nicht eingeladen zu kommen. |
Das Wort beschreibt Einstellungen und Handlungen, die angesichts des Leids von Kriegsflüchtlingen helfen, dass diese wieder ein Leben in Sicherheit und Freiheit führen können. Es wurde von den WählerInnen mit deutlichem Abstand (20% der abgegebenen Stimmen) an die erste Stelle gewählt. Der Begriff wurde zuvor bereits der Wirtschaftssprache verwendet (Willkommenskultur für neue MitarbeiterInnen). Er bekam 2015 im Zusammenhang mit der Flüchtlingsbewegung eine völlig neue Bedeutung, in der die gesamte Diskussion über den Umgang mit Flüchtlingen kulminiert.
Das in seiner Grundbedeutung positive Wort ist zugleich Anlass für die Debatte darüber, ob und in welchem Ausmaß Zuwanderung für das Land gut ist und ob man die Flüchtlinge willkommen heißen soll. Tausende Freiwillige haben sich dafür spontan eingesetzt. Die so gezeigte Willkommenskultur ist weitgehend die alleinige Leistung der zahlreichen Helferinnen und Helfer der österreichischen Zivilgesellschaft, die es geschafft haben, die Unbestimmtheit und das Zögern der Regierenden auszugleichen und ein Klima des Willkommens und des Vertrauens für die Flüchtlinge zu schaffen. Das Wort ist eine Anerkennung der großen Leistung der österreichischen Zivilgesellschaft in der gegenwärtigen schwierigen Situation.
Graz, 03.12.2015 – Die Jury – © Rudolf Muhr 2015
Diese Wortneuschöpfung wurde von den WählerInnen an die 2. Stelle gewählt (18% der abgegebenen Stimmen). Es greift die derzeitige Situation ironisch auf und verfremdet diese, da jemand, der „vor (seiner) Intelligenz“ flüchtet, nur als ‚Idiot‘ begriffen werden kann. In den sozialen Medien wird dieses Wort häufig für jene Personen verwendet, die dort Hasspostings absondern, die zumeist gegen Flüchtlinge, Zuwanderer und alle Menschen anderen geistigen Zuschnitts gerichtet sind.
Auch diese scherzhafte Wortneuschöpfung hat ihren Ursprung in den sozialen Medien. Sie ist vom Namen des Politikwissenschaftlers Peter Filzmaier abgeleitet, der als „exklusiver ORF-Analytiker für Analysen zu Wahlen und politischen Ereignissen“ (Kurier) und somit im Fernsehen dauerpräsent ist. Er ist damit gewissermaßen der „Herbert Prohaska des Politikkommentars“. Das Wort spielt darauf an, dass Prof. Filzmaier die seltene Gabe besitzt, auf alle Fragen spontan eine kompetent scheinende Antwort geben zu können.
Graz, 03.12.2015 – Die Jury
Dieser Euphemismus aus dem Munde der derzeitigen Innenministerin ist der direkte Gegenbegriff zum heurigen Wort des Jahres (Willkommenskultur). Er meint in Wirklichkeit einen kilometerlangen Zaun an der slowenischen Grenze, der Flüchtlinge abhalten soll, ins Land zu kommen. Der Begriff repräsentiert die Unentschlossenheit der österreichischen Regierenden im Umgang mit den Flüchtlingen, indem das Tabuwort „Grenzzaun“ vermieden, gleichzeitig aber zur Beruhigung von Teilen der Bevölkerung eine Maßnahme zur Abwehrder Flüchtlinge gesetzt wird. Es ist ein klassischer Fall österreichischer Politiksprache, die Klarheit und Eindeutigkeit vermissen lässt und die Bevölkerung durch bewusst gewählte Unklarheit verwirrt. Das Wort wurde mit 19% der Stimmen an die erste Stelle gewählt.
Graz, 03.12.2015 – Die Jury – © Rudolf Muhr 2015
Dieses stark abwertende Wort, das der Presse unterstellt, Lügen und Falschmeldungen zu verbreiten, hat eine lange Geschichte, da es bereits Mitte des 19. Jhds. und später vor allem in den 20er und 30er Jahren des vorigen Jhds. verwendet wurde. Damals wie heute war und ist das Wort ein Kampfbegriff der politischen Rechten. Es tauchte heuer im Zusammenhang mit der Flüchtlingsbewegung erneut auf, um positive Mediendarstellungen von Flüchtlingen als Manipulation und Lüge hinzustellen.
Graz, 03.12.2015 – Die Jury
Dieses typische Wort der Wirtschaftssprache meint in seiner neutralen Bedeutung eine Reihe von Maßnahmen, mit denen es gelingen soll, eine Sanierung bzw. einen höheren Gewinn zu erzielen, indem man die Kosten der Produktion usw. senkt. Es wird jedoch verhüllend auch dazu verwendet, die Begriffe „Entlassungen“ und „Betriebsschließungen“, die oft mit sog. „Kostendämpfungsmaßnahmen“ verbunden sind, nicht direkt zu nennen und die betroffenen ArbeitnehmerInnen in die Irre zu führen.
Dieser echte Austriazismus ist derzeit unter Jugendlichen stark in Verwendung. Seine ursprüngliche Bedeutung „zäh“ wurde massiv erweitert, sodass es heute jede Art Negatives meint und damit für alles verwendet wird, was mühsam, schwierig, problematisch usw. ist. Es ist ein Universalwort für alles, was nicht in Ordnung ist oder Schwierigkeiten macht und als Überbegriff bequem verwendbar. Das Wort wurde mit 24% der Stimmen an die erste Stelle gewählt.
Graz, 03.12.2015 – Die Jury – © Rudolf Muhr 2015
Dieses Spaßwort, das aus Deutschland übernommen wurde, ist die ironische Fortsetzung von „chillen“ (sich entspannen), das sich zur völligen Unbeweglichkeit – sprich absoluten Faulheit – steigern kann. Jemand, der rumoxidiert, ist einfach absolut faul.
Häufig verwendetes Wort, das ausdrückt, dass frau/mann sich (meistens in Bezug auf Es sen) etwas Exklusives, Außergewöhnliches geleistet hat (z.B. drei Kugeln eines teuren Eises oder himmlisch gute Pralinen). Das Wort ist eine ungewöhnliche Ableitung vom Verb „gönnen“, das eigentlich eine Dauer ausdrückt, während die „Gönnung“ den Genuss als punktuelles Ereignis beschreibt.
Graz, 03.12.2015 – Die Jury – © Rudolf Muhr 2015
Die österreichische Fußball-Nationalmannschaft qualifizierte sich zum ersten Mal in der Geschichte sportlich für eine EM-Endrunde (Frankreich 2016). Österreich ist mit sieben Siegen, einem Remis und keiner einzigen Niederlage der Sieger in Gruppe G. Dieses außergewöhnliche Ereignis schlug sich gebündelt im Spruch: „Frankreich, wir kommen!“ nieder, den der Trainer der österreichischen Nationalmannschaft, Marcel Koller in einer Pressekonferenz mit Baskenmütze und Baguette launig und stolz verkündete. Der Spruch anerkennt die besondere Leistung des Trainers und der Mannschaft.
Graz, 03.12.2015 – Die Jury
Obwohl viele mit dieser häufig verwendeten Redewendung behaupten, kein/e Rassist/in zu sein, leiten sie damit in der Regel eine Äußerung ein, in der im Anschluss daran sehr oft abwertende, negative oder rassistische Meinungen über AsylantInnen, ZuwandererInnen, AusländerInnen usw. geäußert werden. Die Behauptung ist also ein reines Lippenbekenntnis. Zusammen mit den damit verbundenen negativen Äußerungen wurde es damit zum Unspruch des Jahres.
Graz, 03.12.2015 – Die Jury – © Rudolf Muhr 2015