Bedeutungserläuterungen der Kandidatenwörter und Kandidaten-Sprüche des Jahres 2014 |
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Kandidatenwörter für das Wort 2014 |
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Abfalljäger | Ironische Wortschöpfung, die auf die Fehleranfälligkeit der Eurofighter (Abfangjäger) des österreichischen Bundesheeres anspielt. | |
Datenproletariat | Begriff, der darauf hinweisen will, dass die Großkonzerne im Netz fast alle Produktionsmittel des neuen Arbeitsmarkts in den Händen halten und außerdem jeder, der nicht Zugang zu Daten und zum Internet hat, zum Proletariat wird, indem diesen Personen die künftigen Produktionsmittel fehlen. | |
Freundsche Versprecher | Ironische Abwandlung des Begriffs „Freudsche Versprecher“, der einige Fehlleistungen des SPÖ-Spitzenkandidaten Eugen Freund im Rahmen der Europawahl 2014 aufs Korn nimmt. | |
Genderwahn | Begriff, der sich gegen die sprachliche Gleichstellung von Frauen und Männern wendet. | |
herumstrolzieren | Ironische Abwandlung des Begriffs „herumstolzieren“, die auf das Verhalten des Vorsitzender der Partei NEOS Mathias Strolz abzielt. | |
Hypotopia | Name der Milliardenstadt Hypotopia, die von Studenten als Modell in Wien gebaut und ausgestellt wurde, um begreifbar zu machen, was man mit jenen 19 Milliarden Euro schaffen hätte können, die der österreichische Staat für die Pleitbank Hypo-Alpe-Adria ausgegeben hat. | |
Keller-Nazi | Begriff mit 2 Bedeutungen: 1. Menschen mit rechtsradikaler Gesinnung, die sie jedoch nicht öffentlich zeigen und 2. Personen, die der österr. Regisseur Ulrich Seidel im Keller eines Hauses in einem burgenländischen Dorf vor dem Hintergrund einer großen Zahl von Nazidevotionalien gefilmt hat, was große Aufregung hervorgerufen hat. | |
Rachemaut | Bezeichnet die Einführung einer Maut für alle deutschen Autofahrer als Revanche für die Einführung der generellen Maut für Ausländer auf deutschen Straßen. | |
situationselastisch | Wortschöpfung des derzeitigen Verteidigungsministers Klug, die dieser in seiner Antwort auf die Frage verwendete, wann Bundeskanzler Faymann nach dem Minsterrat wieder im Pressefoyer erscheinen wird: „Er wird das situationselastisch entscheiden.“ | |
Wörter boarding | Neuschöpfung, gebildet nach der Foltermethode „water boarding“, die Politkern zugeschrieben wird, indem diese die Öffentlichkeit oft mit ihrem Wortschwall quälen. | |
Kandidatenwörter für das Un-Wort 2014 |
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committen | Überflüssiger Anglizismus aus der Businesswelt, der dazu verwendet wird, um das Bekenntnis zu einer Aufgabe, die man noch erledigen muss oder das Verschieben von Entscheidungen auf unbestimmte Zeit zu verschleiern: „Dazu müssen wir uns erst noch committen.“ | |
Demonstrationssöldner | Begriff, den der Staatsanwalt in der Anklageschrift gegen der Aktivisten Josef S . verwendete, der an der Demonstration gegen den Akademikerball teilnahm, weil aus Deutschland gebürtig: Er sei „Demonstrationssöldner“ und „Manifestant“. | |
GrünInnen | Ironisch-abwertende Wortschöpfung der politischen Rechten in Österreich, die gegen die Grünen und deren Eintreten für eine geschlechtergerechte Sprache gerichtet ist . | |
gut aufgestellt | Inflationär verwendeter Modeausdruck (besonders in Wirtschaftskreisen), der ausdrücken soll, dass z.B., eine Firma in gutem wirtschaftlichem Zustand ist oder die Geschäfte gut laufen. | |
Kampfradler | Schlagwort, das verkehrswidriges und angeblich aggressives Verhalten von Radfahrern bezeichnet. | |
Negerkonglomerat | Ausdruck, den der ehemalige Spitzenkandidat Mölzer der FPÖ bei der Europawahl 2014 in einer Rede verwendete und dabei die EU mit dem Nazi-Regime verglich und davor warnte, dass die EU zu einem „Negerkonglomerat“ werden würde. | |
Produktplazierungen | Grob verhüllender Begriff, der zunehmend in Radio- und Fernsehsendungen verwendet wird, um nicht „Schleichwerbung“ zu sagen, die in den Sendungen vorkommt. | |
Putinversteher | Doppeldeutiger Begriff, der sowohl jemanden (negativ gemeint) bezeichnet, der allzu viel Verständnis für die aggressive Politik des russischen Präsidenten Putin bei der Annexion der Krim und der Unterstützung der prorussischen Seperatisten im Osten der Ukraine aufbringt, als auch jemanden, der diese Politik befürwortet. | |
Sinn haben | Unnötiger Modeausdruck, der das seinerzeitige „sinnvoll sein“ ersetzt hat; abgeleitet vom englischen „to make sense“. | |
Tugendterrorist | Kampfbegriff der politischen Rechten, der sich gegen Menschen richtet, die sich für Demokratie, Einhaltung der Gesetze, Menschenrechte und Werte wie Freiheit und Gerechtigkeit einsetzen. | |
Kandidatenwörter für das Jugendwort 2014 |
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dick | Füll- und Verstärkungswort: „Ich bin dick müde“ („sehr“ bei älteren Menschen) | |
fail | Steht für „grober Fehler“, „Versagen“ (von epic fail). | |
Immatrikulationshintergrund | Bezeichnet eine Person, die zu nichts zu gebrauchen ist, weil sie aufgrund zwei linker Hände studiert hat. | |
Minuskind | Als Beleidigung verwendeter Ausdruck für jmd. der „ein Minus ist“. | |
Naturwollsocken | Meint die starke Behaarung von jmd. auf den Beinen. | |
Opfer | Synonym für Versager oder Loser und als Schimpfwort verwendet für Personen, die sich nicht ausreichend wehren können oder auf andere Weise Schwächen zeigen. | |
Photoshopmuskeln | Ironisch für Fotos, die mit Photoshop verbessert wurden und jeden besonders schön oder fit ausschauen lassen. | |
Schecksi | „sexy“ mit vollem Mund ausgesprochen | |
Selfie | Wichtiges photographisches Darstellungsmittel – mit dem Handy aufgenommene Fotos von sich selbst | |
snappen | Verwendung des Chat-Programms „Snapchat“. das es ermöglicht, Fotos an Freunde zu versenden, die nur eine bestimmte Anzahl an Sekunden sichtbar sind und sich dann selbst zerstören sollen. | |
Die Kandidaten für den Spruch des Jahres 2014 | ||
1. Die Fußfessel darf kein Goldketterl werden. (Peter Pilz) | Reaktion auf das Verhalten des ehemaligen Sturm-Graz Präsidenten, der die Fußfessel bewilligt bekam, die Ausgehregeln jedoch eigenwillig auslegte. | |
2. Die lange Bank ist Österreichs liebstes Möbel. (Bernd Schilcher) | Bezieht sich auf den Umstand, dass Reformen in Österreich entweder sehr lange dauern oder überhaupt aufgeschoben werden. | |
3. Ich bin Vater, kein Besucher! | Parole des Väterinitiative, die sich für die gemeinsame Obsorge von geschiedenen Eltern einsetzt. | |
4. Jetzt hat uns die den Schaas gwonnen. (Andy Knoll) | Überraschte Reaktion des österreichischen Moderators beim Eurovisions-Songkontest 2014 auf den Gewinn des Kontests durch Conchita Wurst. | |
5. We are unstoppable! | Spruch von Conchita Wurst im Rahmen ihrer Dankesrede. |
https://www.youtube.com/watch?v=NmlZrx4Ow94
Das Wort wurde mit großem Abstand (42% der abgegebenenStimmen) an die erste Stelle gewählt. Bekannt wurde es durch eine Äußerung von Verteidigungsminister Gerald Klug beim Ministerrats-Pressefoyer am 18.02.2014. Er erklärte damit das mögliche Fernbleiben von Kanzler und Vizekanzler bei künftigen Pressefoyers. In dieser ursprünglichen Verwendung tarnt es negative Aspekte der heimischen politischen Praxis und täuscht Anpassungsfähigkeit in schwierigen tagespolitischen Situationen vor. Populär wurde der Begriff nicht zuletzt aufgrund seiner prägnanten Unverbindlichkeit, die verschiedene ironische Verwendungen ermöglicht – was sich auch in zahlreichen Karikaturen niederschlug. Aufgrund dieser Mehrdeutigkeit und begrifflichen Vielfältigkeit hat sich das Wort zwischenzeitlich von einem potentiellen Unwort zu einem geflügelten Wort entwickelt, was es zu einem würdigen Wort des Jahres macht.
Name der Milliardenstadt Hypotopia, die von Studierendender TU Wien als Modell in Wien gebaut und ausgestellt wurde, um begreifbar zu machen, was man mit jenen 19 Milliarden Euro bauen hätte können, die der österreichische Staat für die Pleitebank Hypo-Alpe-Adria möglicherweise ausgeben muss. Der Begriff und das Projekt veranschaulicht die Verschwendung von Steuergeldern in großem Ausmaß, indem es mit dem Modell einer großartigen Stadt eine positive Alternative aufzeigt und damit das Ausmaß der Verschwendung erst vorstellbar macht.
Ausdruck, den der ehemalige Spitzenkandidat Mölzer (FPÖ) im Europawahlkampf 2014 in einer Rede verwendete. Er bezeichnete damit die EU und ein seiner Meinung nach zunehmendes Chaos in der EU, das er u.a. auf „Massenzuwanderung“ und „wirre Konzerninteressen“ zurückführte. Mölzer stufte seine Aussage selbst als „bewusst total politisch nicht korrekt“ ein, was einer Untertreibung gleichkommt. Wird doch der rassistische Ausdruck „Neger“ durch „Konglomerat“, das sich vorwiegend auf Lebloses bezieht, noch zusätzlich verstärkt. Die auf diese Weise ausgedrückte rassistische und stark abwertende Bedeutung des Ausdrucks macht es zum Unwort des Jahres 2014. Es sollte im öffentlichen Diskurs und darüber hinaus keinen Platz haben.
Eine ironisch-abwertende Wortschöpfung, die gegen die Grünen und deren Eintreten für eine geschlechtergerechte Sprache gerichtet ist. Hinsichtlich des Status als Unwort verlässt sich die Jury auf die 1541 Stimmen der WahlteilnehmerInnen, die sich damit vermutlich für eine geschlechtersensible Sprache ausgesprochen haben, ohne deren gelegentliches ironisches Potential zu übersehen.
Selbstdarstellung ist in – vor allem, aber nicht nur – bei Jugendlichen. Dazu eignen sich die mit Handys bei jeder Gelegenheit aufgenommenen Fotos von sich selbst oder anderen hervorragend. Das Wort steht für die Vorliebe vieler Jugendlichen für das schnelle Selbstporträt, das mit-teilt, wo man sich gerade befindet. Nicht unwesentlich ist auch, dass durch besonders schöne Fotos versucht wird, Lob (z.B. durch Likes) und Bewunderung zu bekommen, was das Selbstwertgefühl stärkt. Die hohe Zustimmung, die dieses Wort bei der Wahl gefunden hat, zeigt, dass es sich dabei um ein zentrales Element der heutigen Jugendkultur (und darüber hinaus) handelt. Graz, 01.12.2014 – Die Jury
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Steht für „grober Fehler“, „Versagen“ (von epic fail). Das Wort wird unter Jugendlichen für alles verwendet, was absolut schief geht oder nicht in Ordnung ist. Wenig überraschend handelt sich auch dabei um einen Anglizismus, der sich aus der Kommunikationspraxis der Jugendlichen und der starken Nutzung des Internets erklärt.
Ist die überrascht-ironische Reaktion des österreichischen Moderators Andi Knoll (ORF) während der Live-Übertragung des Eurovisions-Songcontests 2014 auf den Sieg durch Conchita Wurst. Es handelt sich dabei nicht nur um einen originellen Ausspruch, sondern auch um eine Handlung, die große Spontaneität und Mut des Sprechers zeigt. Dieser Umstand und der erste Platz von Conchita Wurst machen den Satz zum Spruch des Jahres.
Teil einer Antwort von Claudia Bandion-Ortner (Ex-Justizministerin und Generalsekretärin des Dialogzentrums Wien) im Rahmen eines Interviews auf die Frage, wie es sich mit den freitags stattfindenden Hinrichtungen in Saudi-Arabien verhält, also jenem Staat vom dem ein Großteil der Finanzierung des Dialogzentrums bestritten wird. Zum Unspruch wird die Äußerung, weil sie die wöchentlichen Hinrichtungen in Saudi-Arabien verharmlost. Erschwerend kommt hinzu, dass die Sprecherin das Amt der Justizministerin der Republik Österreich innehatte, in der die Todesstrafe seit mehr als 40 Jahren abgeschafft ist.