Hinweise zu den Kandidatenwörtern 2009 – Was bedeuten Daten die Kandidatenwörter für das österreichische Wort/Unwort 2009?
Die Kandidatenwörter für das WORT des JAHRES 2009
1. Alphamädchen | Neuer Ausdruck für junge, selbständige und gut ausgebildete Frauen, die sich wenig bis garnicht um die Forderungen der Frauenbewegung kümmern. Abgeleitet von „Alphatier“, „Alphamännchen“, mit der zugrunde liegenden Bedeutung „dominant“. |
2. Audimaxismus | Bezeichnet die neue Studentenbewegung und deren Forderungen, die mit der Besetzung des Audi-Max, des größten Hörsaals der Uni Wien, begann. |
3. Finanzkrise | Häufig verwendeter Ausdruck für die großen Probleme der Weltwirtschaft, die seit dem Bankrott der Lehman Brothers Investmentbank die ganze Welt betreffen. |
4. Kukidentpartei | Ironischer Ausdruck für zwei äußerst aktive Ex-Politiker aus beiden Regierungsparteien, die die Anliegen der Pensionisten mit Vehemenz und großem Erfolg vertreten. |
5. Kuschelkurs | Meint den „neuen Stil“ der Zusammenarbeit der beiden derzeitigen Regierungsparteien, der seit der Neuwahl im Jahre 2008 Einzug gehalten hat. |
6. Problemguru | Origineller Ausdruck, der es aufgrund seiner Mehrdeutigkeit geschafft hat, unter die Kandidatenwörter zu kommen. |
7. Schweinegrippe | Eine von mehreren Bezeichnungen für die „neue Grippe“, die von Mexiko ausgehend, Europa erreicht hat und in manchen Ländern epidemische Ausmaße angenommen hat. |
8. Ungustlvermutung | Ironische Abwandlung des Ausdrucks „Es gilt die Unschuldsvermutung“, die in Zeitungen angeführt werden muss, wenn über Personen berichtet wird, die einer Straftat verdächtigt werden. |
9. Virusferien | Ferien, in die ganze Schulen geschickt werden, wenn dort Fälle von Schweinegrippe auftreten. |
10. Zeitmillionär | Sarkastische Bezeichnung für jemanden, der arbeitslos ist. |
Die Kandidatenwörter für das UN-WORT des JAHRES 2009
1. Analogkäse | Verhüllender Ausdruck für künstlichen Käse, der nicht aus Milch, sondern aus billigen Ersatzstoffen hergestellt und den Konsumenten als echter Käse verkauft wird. |
2. Asylertrotzer | Von einem weit rechts stehenden, österreichischen Politiker verwendeter Ausdruck, der sich auf die Familie Zogaj bezog, die sich bisher vergeblich bemüht hat, trotz guter Integration, in Österreich Fuß zu fassen. |
3. erweiterter Suizid | Ausdruck, der verhüllt, dass jemand Selbstmord verübt und dabei gleichzeitig nahe Angehörige ermordet. |
4. Exiljude | Herbwürdigende Bezeichnung, die ein Vorarlberger FPÖ-Politiker für den Leiter des Jüdischen Museums in Hohenems verwendete und damit 25% der Stimmen bei der Vorarlberger Landtagswahl gewann. |
5.Freiwilliger Gehaltsverzicht | Verhüllt, dass die Freiwilligkeit nur bedingt gegeben war, als viele österreichische Lohnabhängige angesichts der Wirtschaftskrise vor die Alternative des „freiwilligen Lohnverzichts“ oder die Kündigung gestellt wurden. |
6. Herkunftskriminalität | Ausdruck, der unterstellt, dass jemand schon aufgrund seiner Herkunft kriminell ist. |
7. Managerboni | Bezeichnet die enorm hohen Zahlungen an Manager bankrotter Banken, die dennoch ausbezahlt wurden, obwohl sie durch Steuergelder vor dem Bankrott gerettet wurden. |
8. soziale Hängematte | Abwertende Bezeichnung für die sog. „Mindestsicherung“, die unterstellt, dass sich deren Bezieher mit Hilfe dieser Sozialleistung von ca. € 750 in einer Hängematte ausruhen und keiner Arbeit nachgehen werden. |
9. supersauberes Gewissen | „Ich habe ein supersauberes Gewissen.“ Behauptung eines ehemaligen österreichischen Finanzministers, dass er von unerklärlich hohen Provisionszahlungen an Parteifreunde und Geschäftspartner im Zusammenhang mit dem Verkauf von 60.000 Bundeswohnungen nichts gewusst und daher ein „supersauberes Gewissen“ habe. |
10. Verschrottungsprämie | Bezeichnet öffentliche Gelder, die verwendet wurden, um an sich funktionstüchtige Autos zu verschrotten, damit – trotz der Notwendigkeit der CO2 Einsparung – neue Autos gekauft werden. |
Dieses Wort entstand im Rahmen der neuen Studentenbewegung, die mit der Besetzung des größten Hörsaals der Universität Wien – des Auditorium Maximum, kurz Audi Max – begann und davon abgeleitet ist. Es wurde von den Internetwählern zu Recht weit vor allen anderen gereiht, weil durch die Studentenbewegung erstmals seit langem wieder ernsthaft und umfassend über Bildung diskutiert wird. Bei dem Wort selbst handelt es sich um eine originelle Wortschöpfung, die eine Fülle von Assoziationen weckt. Es steht sowohl für den Wunsch der Studierenden nach maximaler Verbesserung ihrer Studienbedingungen, als auch für den Wunsch, bei der Politik Gehör (audi = lat. höre) zu finden. Die lautliche Ähnlichkeit zu (Austro)marximus kann von den Gegnern der Bewegung verwendet werden, um diese in eine linke Ecke zu stellen, sodass diesem Wort durchaus eine gewisse Mehrdeutigkeit innewohnt, die seine Attraktivität verstärkt.
Die Qualität dieses Wortes besteht darin, dass es ein typisch österreichisches Phänomen – den Wunsch nach Harmonie und Ausgeglichenheit – auch in der Politik – präzise bezeichnet, was im Kontext demokratischer Systeme jedoch problematisch erscheint, da diese durch den Wettstreit der Ideen und der Diskussion darüber mit Leben erfüllt werden.
Graz, 10.12.2009 – Die Jury
Auch dieses Wort ist eine typisch österreichische Prägung aus einem Kabarettprogramm, die den presserechtlich vorgegebenen Satz „Es gilt die Unschuldsvermutung“ für Beklagte in laufender Verfahren karikiert und zugleich darauf anspielt, dass das Wort „Ungustl“ im Österreichischen Deutsch unangenehme und „ungustiöse“ (unappetitliche) Menschen bezeichnet, die nicht geschätzt bzw. „goutiert“ werden.
Graz, 10.12.2009 – Die Jury
Hierbei handelt es sich aus sprachlicher, wie auch aus sachlicher Sicht um ein Unwort, da es für einen Etikettenschwindel steht. Das damit bezeichnete Produkt hat mit Käse nichts zu tun, sondern ist diesem nur „analog“ nachgebildet, d.h. es handelt sich um ein Imitat. Sprachlich wird jedoch aufgrund der deutschen Wortbildungsregeln der Eindruck erweckt, dass es sich doch um „Käse“ handelt. Dass gerade dieses Wort von den InternetwählerInnen an die erste Stelle gereiht wurde, hat wohl auch damit zu tun, dass den ÖsterreicherInnen unverfälschte Lebensmittel äußerst wichtig sind.
Graz, 10.12.2009 – Die Jury
Dieses Wort wurde im Laufe eines Wahlkampfes gegenüber einem Amtsträger in doppelt abwertender Absicht wahrheitswidrig verwendet. Es kombiniert zwei Begriffe, die in Österreich von Teilen der Bevölkerung immer noch negativ verstanden werden, sodass sie unter Ausnutzung seiner abwertenden Bedeutung als Wahlkampfargument verwendet werden konnten.
Graz, 10.12.2009 – Die Jury
Das Wort unterstellt, dass jemand allein schon aufgrund seiner/ihrer Herkunft kriminell handelt oder dazu fähig ist, was gegen die Menschenrechtskonvention verstößt. Es wurde von einer ranghohen Politikerin im öffentlichen Diskurs geprägt und gehört mittlerweile sogar zum Begriffsinventar der Ermittlungsbehörden.
Graz, 10.12.2009 – Die Jury
Dieser ironisch gemeinte Spruch steht im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Hochschuldiskussion; er weist darauf hin, dass unser Bildungssystem zu sehr auf den sozialen Status der Eltern ausgerichtet und nicht hinreichend durchlässig ist. Die Absurdität der Forderung verleiht dem Spruch Originalität und Zitatqualität.
Graz, 10.12.2009 – Die Jury
Dieser Ausspruch wurde im heurigen Jahr im Zusammenhang mit dem Einbruch in einen Supermarkt und dem Tod eines daran beteiligten Jugendlichen in einem Massenmedium kolportiert. Allein die Tatsache, dass ein solcher Satz in der medialen Öffentlichkeit verwendet wird, verweist auf ein erschreckendes Ausmaß an Menschenverachtung und das fehlende Rechtsbewusstsein, das sich seit einiger Zeit in manchen Medien ausbreitet.
Graz, 10.12.2009 – Die Jury