Hinweise zu den Kandidatenwörtern 2008:
Was bedeuten Daten die Kandidatenwörter für das österreichische Wort/Unwort 2008?
Die Kandidatenwörter für das WORT des JAHRES 2008
1. Ameisenrunde | Gemeint ist die Fernsehdiskussion aller Vorsitzenden der Kleinparteien, die bei der Nationalratswahl 2008 angetreten sind. Der Gegensatz dazu ist die sog. „Elefantenrunde“. |
2. Casinokapitalismus | Meint jenen Kapitalismus (besonders der letzten 20 Jahre), der mit Hilfe groß angelegter Spekulationsgeschäfte (Derivate, Hedgefonds usw.) mehr die Methoden des Glücksspiels verfolgt hat, als die des rationalen ökonomischen Handels. |
3. Ego-Googeln | Meint das Suchen nach dem eigenen Namen in der Suchmaschine Google. Soll bei manchen Leuten mittlerweile zu einer regelrechten Sucht geworden sein. |
4. Europhorie | Bezeichnet die Euphorie, die während der Fußballeuropameisterschaft 2008 geherrscht hat. |
5. Fremdschämen | Drückt aus, dass sich jemand für die peinlichen Handlungen eines anderen schämt. Findet sich zunehmend in Pressetexten im Zusammenhang mit den Aussagen und Handlungen mancher Politiker bzw. Personen öffentlichen Interesses. |
6. Krocha | Eigenbezeichnung einer städtischen Subkultur von jungen Menschen, die einen spezifischen Lebensstil in Bezug auf Kleidung, Musik und Verhalten pflegt. http://www.krocha.at |
7. Lebensmensch | Dieses Wort verwendete schon Thomas Bernhard für einen ihm sehr nahestehenden, besonderen Menschen. Es bekam eine besondere Bedeutung durch die Aussagen eines jungen Kärntner Politikers nach dem Unfalltod des dortigen Landeshauptmanns. |
8. Stammhirnwähler | Meint jene Wähler, die ihr Stimmverhalten mehr nach dem Gefühl bzw. nach dem Aussehen der Spitzenkandidaten ausrichten, als nach dem politischen Programm der jeweiligen Partei. |
9. Teflonpolitiker | Ist ein Politiker, der sich so elastisch aus allen Schwierigkeiten herauswindet, sodass an ihm wie bei teflonbeschichteten Pfannen und Töpfen nichts hängen bleibt. |
10. Wachteleierkoalition | Meinte den Beschluss der Koalitionsparteien von SPÖ und ÖVP die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel zu senken, wobei bestimmte Luxus-Lebensmittel wie Wachteleier, Kaviar usw. ausgenommen wurden. Die Maßnahme war umstritten. |
Die Kandidatenwörter für das UN-WORT des JAHRES 2008
1. Asylanten-Sonderanstalt | Gemeint ist die vom früheren Landeshauptmann von Kärnten eingerichtete Internierung von kranken und angeblich straffällig gewordenen Asylbewerbern auf der Saualm in 1200 Meter Seehöhe mit der Begründung: „Die Unterbringung von straffälligen Asylwerbern in der Sonderanstalt dient dem Schutz der Bevölkerung.“ |
2. Ausgrenzungsfetischismus | Kampfbegriff und Vorwurf des Obmanns der FPÖ gegenüber anderen Parteien, der ihn und seine Partei als Opfer der Willkür dieser Parteien erscheinen lässt. Der Vorwurf steht im Gegensatz zur Ausgrenzungspolitik, die die FPÖ gegenüber zugewanderten MitbürgerInnen oder „Ausländern“ betreibt. |
3. Bankster | Sprachliche Neubildung aus Banker + Gangster. Entstand wohl vor dem Eindruck der derzeitigen Weltfinanzkrise und dem Zusammenbruch großer Investmenthäuser, wo die Banker weniger am Wohl der Kunden als an den eigenen Gewinnvorteil interessiert waren. |
4. Gewinnwarnung | Ist ein verhüllendes Wort für „Verlustwarnung“. Wenn ein börsennotiertes Unternehmen eine Gewinnwarnung herausgibt, bedeutet es, dass es Verluste gemacht hat und daher weniger oder gar keinen Gewinn machen wird. |
5. Heimatpartei | Eigenbezeichnung der FPÖ im Wahlkampf 2008, die eingesetzt wurde, um alle anderen Parteien als nicht heimatbezogen hinzustellen. Angesichts der massiven Ausländerfeindlichkeit dieser Partei wird der positive Begriff „Heimat“ in eine ausländerfreie Heimat umgedeutet und zur Ausgrenzung von ganzen Bevölkerungsgruppen verwendet. |
6. Kulturdelikt | Dieser Begriff stammt von der derzeitigen Innenministerin, die im Wahlkampf 2008 meinte, es müsse für Verbrechen wie Ehrenmord oder Zwangsheirat einen eigenen Strafrechtsparagraphen geben. Zum Unwort wird dieses Wort, weil diese Delikte schon durch andere Paragraphen abgedeckt sind und darüber hinaus mit dem Begriff selbst die Kultur von Zuwandern symbolisch und pauschal zu einem Delikt gemacht wird. |
7. Migrationshintergrund | Hier handelt es sich um einen verhüllenden Begriff, der dazu verwendet wird, um nicht offen die Begriffe „Zuwanderung“ bzw. „Zuwanderer“ verwenden zu müssen. Der politische Hintergrund ist, dass fast alle österreichischen Parteien aus wahlstrategischen Gründen abstreiten, dass Österreich ein Zuwanderungsland ist, obwohl die Fakten deutlich dagegen sprechen. Somit gilt: Jemand der „einen Migrationshintergrund hat“, ist einfach ein „Zugewanderter“, eine „ZuwanderIn“ bzw. jemand, dessen Vorfahren zugewandert sind. |
8. nachhaltig | Dieser sehr wichtige Begriff wird in letzter Zeit leider so inflationär verwendet, dass es zu einer leeren Worthülse verkommt und deshalb zu einem Unwort herabsinkt, obwohl es in der Sache selbst Positives meint. |
9. situationselastisch | Bezieht sich auf die Fähigkeiten mancher Personen der Öffentlichkeit (und nicht nur dieser), klare Aussagen oder Festlegungen zu vermeiden, schon getroffene Aussagen den Umständen entsprechend als nicht stichhältig darzustellen usw. |
10. Vorratsdatenspeicherung | Dieser Begriff stand schon letztes Jahr zur Auswahl und ist auch heuer nach wie vor aktuell, da weiterhin alle Emails und Telefonate „auf Vorrat“ (auf Verdacht) gespeichert werden, damit man nachträglich nach Verdächtigem suchen kann. |
Dieses Wort, das schon in der Autobiographie von Thomas Bernhard vorkommt, erlangte erneute Aktualität im Zusammenhang mit dem Verlust nahestehender Menschen und ist durch seine Grundbedeutung „der wichtigste Mensch meines Lebens“ überaus positiv besetzt. Es ist im heurigen Jahr im Zusammenhang mit dem Ableben zweier bekannter österreichischer Politiker mit unterschiedlicher Deutung und Wertung gebraucht worden. Seine Bedeutungsambivalenz und sein hoher emotioneller Wert machen „Lebensmensch“ zum Wort des Jahres 2008. Das Wort wurde aufgrund gegensätzlicher Verwendungsweisen von einer erheblichen Anzahl der WählerInnen auch als Unwort klassifiziert, jedoch von der überwältigenden Mehrheit der InternetwählerInnen vor allen anderen als Wort des Jahres gereiht.
Graz, 09.12.2008 – Die Jury
Hier handelt es sich um ein neues österreichisches Wort, das eine städtische Jugend- bewegung bezeichnet, die im abgelaufenen Jahr stark in Erscheinung getreten ist.
Ihr besonderes Kennzeichen ist hohe sprachlicher Kreativität und unangepasstes Verhalten. Sie ist die erste derartige österreichische Jugendkultur seit Jahrzehnten, die durch sprachliche Originalität gekennzeichnet ist und für die die Lebendigkeit der österreichischen Jugendkultur steht. Das macht diese Jugendbewegung interessant, aber auch zur Angriffsfläche von Personen, denen jegliche Art von Anderssein missfällt.
Graz, 09.12.2008 – Die Jury
Dieses Wort erlangte aufgrund der weltweiten wirtschaftlichen Schwierigkeiten große Aktualität und eine erhöhte Verwendungshäufigkeit. Darüber hinaus ist es aus sprachlicher Sicht interessant, das es scheinbar vor Gewinnen warnt, tatsächlich aber Verluste bzw. verminderte Gewinne meint. Es ist damit ein Wort, das die wahren Sachverhalte in höchstem Maße verschleiert und so sowohl in Inhalt als auch in seiner Verwendung für jene undurchsichtigen Vorgänge steht, die derzeit in der Finanz- und Bankenwelt vor sich gehen.
Graz, 09.12.2008 – Die Jury
Dieses harmlos und positiv klingende Wort steht in einem österreichspezifischen Kontext, der es zu einem Unwort macht. Tatsächlich bezweckt es die Monopolisierung des Begriffs „Heimat“ durch eine bestimmte politische Gruppierung und den Ausschluss aller anderen Auffassungen von Heimat. Es stellt eine Anmaßung in Bezug auf andere politische Gruppierungen dar, da es diese zu Nicht-Heimatparteien, d.h. zu Fremdparteien macht. Es ist wohl kein Zufall, dass solche Begriffe vor allem auch von politischen Organisationen verwendet werden, die in totalitär und nationalistisch ausgerichteten Ländern tätig sind.
Graz, 09.12.2008 – Die Jury
Dieser Begriff stammt von der derzeitigen Innenministerin, die im Wahlkampf 2008 erklärte, es müsse für Verbrechen wie Ehrenmord oder Zwangsheirat ein eigener Strafrechtsparagraphen geschaffen werden. Zum Unwort wird dieses Wort, weil derartige Delikte schon durch andere Paragraphen abgedeckt sind und darüber hinaus mit dem Begriff selbst die Kultur von Zuwandern symbolisch und pauschal zu einem Delikt gemacht wird.
Graz, 09.12.2008 – Die Jury
Hier handelt es sich um einen elegante und witzige Umschreibung bestimmter Verhältnisse im österreichischen Fussball, die in bester literarischer Tradition der österreichischen Selbstironie steht und so ein würdiger Spruch des Jahres ist.
Graz, 09.12.2008 – Die Jury
Diese Äußerung wird zum Unspruch des Jahres 2008, da er das wichtigste politische Ereignis des laufenden Jahres – die Neuwahlen – einleitete, in ihrer Endgültigkeit keine Alternativen ließ und damit das ganze Land vor vollendete Tatsachen stellte. Es signalisiert einen völligen Kommunikationsabbruch sowie die Weigerung, sich mit Sachinhalten auseinanderzusetzen, für die man eigentlich gewählt worden war.
Graz, 09.12.2008 – Die Jury