Das österreichische Wort des Jahres 2002

Kandidatenwörter & Erklärungen

Wort des Jahres 2002

TEURO

Ergebnis

TEURO
149
EU-ERWEITERUNG
46
NULLERINNERUNG
31

Begründung

(1) Das Wort ist ein Neuwort (Neologismus), das aus der Verbindung von „teuer“ und „Euro“ entstanden ist. Es ist zwar bereits im Jahre 2001 aufgetreten, hat aber seine besondere Wirkung erst mit im heurigen Jahr der endgültigen Euro-Einführung und den damit verbundenen Preissteigerungen bei manchen Waren entfaltet.

(2) Das Wort hat eine besondere sprachliche Qualität, die darin besteht, dass es auf kürzest-mögliche Weise die Verteuerung ausdrückt, die seit der Euro-Einführung allgemein empfunden wird und gleichzeitig ein Wortspiel mit EURO bildet, das nur im Deutschen möglich ist.

(3) Es wurde von den InternetwählerInnen mit großem Abstand vor allen anderen Wörtern gewählt, was vermuten lässt, dass sowohl das gesellschaftliche Problem der Verteuerung als auch die sprachliche Formulierung als herausragend angesehen wurde. Möglicherweise wird uns der EURO in einiger Zeit aber noch in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes lieb und teuer (ahd. tiuri, nhd. teuer: = wertvoll, dauerhaft).


Graz, 16.12.2002 – Die Jury

(1) Dieses Wort wurde aufgrund der historischen Dimension des Beschlusses des Europäischen Rates vom 13.12.2002 in Kopenhagen zur Aufnahme von 10 weiteren Mitgliedstaaten ausgewählt. Dieser Schritt ist auch für Österreich und seine Stellung in Europa wichtig und rechtfertigt schon allein deshalb die Wahl dieses Wortes.

(2) Darüber hinaus hat das Wort auch einen österreichspezifischen Aspekt, da die Unterstützung des Erweiterungsprozesses innerhalb der früheren Bundesregierung äußerst kontroversiell diskutiert wurde und ein innenpolitisches Streitthema darstellte, das maßgeblich zu den Neuwahlen beigetragen hat.

(1) Das Wort ist eine kreative Neu- und Parallelschöpfung eines österreichischen Journalisten – in Analogie zu „Nulldefizit“ (das österreichische Wort des Jahres 2001).

(2) Vom sprachlichen Standpunkt aus ist es eine prägnante Neubildung, die in ironischer und ambivalenter Weise die Vergesslichkeit der österreichischen Wählerinnen und Wähler deutlich macht, die trotz der sozialen Einsparungen sowie schmerzhafter wirtschaftlicher und steuerlicher Belastungen eine Partei mit einem hohen Wahlsieg belohnt hat, die bei dieser Politik federführend war.

(3) Bei der Internetabstimmung nahm es den 6. Platz ein.

Unwort des Jahres 2002

RÜCKTRITT vom RÜCKTRITT

Ergebnis

RÜCKTRITT vom RÜCKTRITT
94
SCHURKENSTAAT
73
RÜCKKEHRBERATUNG
24

Begründung

(1) Dieses Unwort beschreibt in treffender Weise die Folgenlosigkeit des öffentlichen Handelns von Politikern und den Verlust an Ernsthaftigkeit im politischen Geschehen. Wie die Ereignisse im heurigen Jahr gezeigt haben, gelang einem Politiker fünfmal der Rücktritt vom Rücktritt, was in jeder Hinsicht ein singuläres Ereignis darstellt.

(2) Das Wort wurde auch gewählt, weil ein Rücktritt in der österreichischen Politik erfahrungsgemäß eher selten vorkommt und Rücktritte vom Rücktritt die negative Tendenz am Amt trotz massiver öffentlicher Kritik festzuhalten, zusätzlich noch verstärken.

(3) Der Rücktritt vom Rücktritt ermöglicht es dem Betreffenden, folgenlos Aufmerksamkeit zu erregen, ohne letztlich Konsequenzen gezogen zu haben. So gesehen ist dieses Zurücktreten gleichzeitig wieder ein Vortreten, und darum scheint es zu gehen. Die Politik als öffentliche Angelegenheit wurde auf diese Weise zu einem Spektakel privater Inszenierung.


Graz, 16.12.2002 – Die Jury

(1) Die Jury betrachtet dieses Wort als klassisches Unwort, weil damit erstmals seit dem 2. Weltkrieg wieder ganze Staaten als kriminelle Einheit (Schurken/Verbrecher) bezeichnet werden. „Schurkenstaat“ ist eine Lehnübersetzung aus dem amerikanischen Englisch: „rogue state“.

(2) Der Ausdruck verweist auch auf die Rückkehr kolonialer und imperialistischer Denkweisen, die bereits als überwunden galten. Ein Vorgehen, das völlig im Widerspruch zu den Bemühungen um den Weltfrieden steht, die Motivation für die Gründung der UNO und anderer internationaler Organisationen waren.

(3) Das Worterhielt bei der Internetwahl den 3. Platz.

(1) Der Charakter als Unwort ist vor allem dadurch gegeben, dass es sich um einen klassischen Euphemismus (verhüllendes, schönfärberisches Wort) handelt, der einen problematischen Sachverhalt positiv und gegensätzlich zur eigentlichen Sache darstellt. Das Wort bezeichnet das Vorgehen bei der „Rückführung“ von bosnischen Kriegsflüchtlingen und von Asylbewerbern.

(2) Das Wort unterstellt, dass jemand bei der Rückkehr (in sein Heimatland) beraten wird, dabei eine gewisse Hilfe und mehrere Alternativen zur Verfügung gestellt bekommt. Tatsächlich besteht die „Hilfe“ vor allem darin, dass diese Personen gedrängt werden, mit einem Handgeld versehen in ihre Heimatländer zurückzukehren, wo ihnen jede Existenzgrundlage fehlt.

(1) Die Jury betrachtet dieses Wort als klassisches Unwort, weil damit erstmals seit dem 2. Weltkrieg wieder ganze Staaten als kriminelle Einheit (Schurken/Verbrecher) bezeichnet werden. „Schurkenstaat“ ist eine Lehnübersetzung aus dem amerikanischen Englisch: „rogue state“.

(2) Der Ausdruck verweist auch auf die Rückkehr kolonialer und imperialistischer Denkweisen, die bereits als überwunden galten. Ein Vorgehen, das völlig im Widerspruch zu den Bemühungen um den Weltfrieden steht, die Motivation für die Gründung der UNO und anderer internationaler Organisationen waren.

 

 

 

Spruch des Jahres 2002

BIN SCHON WEG - BIN SCHON WIEDER DA!

Ergebnis

BIN SCHON WEG - BIN SCHON WIEDER DA!
88

Begründung

(1) Dieser Satz ist in Österreich bereits zu einem geflügelten Wort geworden, indem damit ironisch auf das eigenartige Rücktrittsverhalten eines österreichischen Politikers hingewiesen wird.

(2) Er ist außerdem in doppelter Weise ironisch, da die Formulierung „Bin schon weg!“ im alltäglichen Sprachgebrauch dann verwendet wird, wenn jemand noch da ist, aber bereits beim Gehen begriffen und damit eine Vorgriff auf Künftiges ausdrückt. Der besagte Politiker hat es aber geschafft, das künftige Wegsein bereits beim Weggehen durch gleichzeitiges Zurückkommen aufzuheben.

(3) Dieses Verhalten erinnert auch an das Kasperltheater: Wenn Kasperl wegläuft ruft er: „Bin schon weg!“, um gleich darauf mit dem Ruf „Bin schon wieder da!“ zurückzukehren, obwohl ihn niemand gebeten hat zurückzukommen.

(4) Der Spruch wurde von den InternetwählerInnen mit großem Abstand an die erste Stelle gewählt.


Graz, 16.12.2002 – Die Jury

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